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Denkmalgeschützte Pfarrkirche lockt mit künstlerischer Neugestaltung

(7.11.2018) Zeitgemäße Neuausmalung oder Konservierung des Bestands? Vor dieser Entscheidung stand die Gemeinde der römisch-katholischen Pfarrkirche St. Dionysius in Elsen, einem Vorort von Paderborn (siehe Google-Maps). Im Rahmen der umfangreichen Sanierung des denkmalgeschützten Kirchengebäudes entschied man sich für die künstlerische Neufassung durch Tobias Kammerer aus Rottweil und damit für den Einzug zeitgenössischer Kunst in die Kirchenräume.

Kunst der Farbe

Kammerer gilt als ein Meister der Farbkomposition, er weiß mit Farb- und Lichtführung zu jonglieren und reagiert darauf mit seiner Malerei. Seine Ausmalungen wirken wie monumentale Aquarelle, rasch hingeworfen mit übergroßen Pinseln. Doch die Leichtigkeit dieser Malerei ist hohe Kunst, ausgeführt mit Silikatfarben in bis zu 30 lasierenden Schichten. „Ich arbeite mit mineralischen Farben und Lasuren der Firma KEIM“, erklärt der Künstler. „Denn ihre besondere Brillanz und Farbkraft unterstützen die optische Tiefe und Wirkung meiner Arbeit.“

alle Fotos © KEIM 

Sein Anliegen ist immer die künstlerische Gesamtgestaltung. Dabei will er nicht mit der Architektur konkurrieren oder ihre Raumwirkung manipulieren, sondern sie durch malerische Kommentare im Wechselspiel zwischen Fläche und Linie, Ruhe und Dynamik, Form und Auflösung interpretieren und transformieren. Kammerers Werk ist dabei farbenfroh, lebensbejahend und frei interpretierbar, es verweist auf Grunderfahrungen der menschlichen Existenz und kann im religiösen wie nicht religiösen Kontext gelesen werden.

Farbräume

In St. Dionysius griff der Künstler die schlichte Ausmalung der Kirche auf und entwickelte darauf aufbauend seine eigene Gestaltung. „Farbe ist eine Urkraft, die Farbzuordnungen folgen meiner Auffassung von christlicher Symbolik“, so Kammerer. „In St. Dionysius zieht sich durch alle Räume Blau als die Farbe des Himmels und als Ausdruck von Geistigkeit.“

Die Taufkapelle aus dem frühen 13. Jahrhundert ist der älteste Teil der Pfarrkirche. Ihr Gewölbe ist dem Himmelsmotiv entsprechend in Blautönen gehalten. Die lasierende Ausmalung in bewegtem Duktus könnte man hier gleichsam als „Wasser des Lebens“ deuten, aus dem der Täufling wie neugeboren als Kind Gottes wieder auftaucht.

Das Mittelschiff wird durch Kammerers Ausmalung optisch erhöht, indem das Blau in den unteren Bereichen der Gewölbeflächen sich nach oben hin aufhellt. Dieser Verlauf zieht den Betrachter quasi nach oben und streckt den Raum. Den Fenstern und den Steinsäulen mit ihren Kapitellen verleiht der Künstler durch farbige Akzente mehr Gewicht.

Jedes Gewölbe schließt mit einer kreisförmig bewegten blauen Farbfläche um den Schlussstein. Der Kreis als vollendete geometrische Figur steht hier für die Vollkommenheit Gottes. Frei geführte farbige Linien öffnen die Geschlossenheit der Kreisform und laden zu weiteren Interpretationen ein.

Das Vierungsgewölbe über dem Altar ist mit einem großen Rundgemälde ausgestaltet: Amorph fließende, durchscheinende Flächen in verschiedenen Blautönen sind durchzogen von dynamischen, kreisförmigen Linien in unterschiedlichen Farben und offen für individuelle Deutungen und Empfindungen.

Ein Blickfang für den Kirchenbesucher ist die Rückwand des Chorraumes. Hinter dem Kruzifix hat Tobias Kammerer mit zarten roten Linien ein Kreuz angedeutet, bewegt nach oben strebende Farbflächen in Gold symbolisieren den Auferstehungsgedanken. Das goldene Band entspringt einem exakt geführten purpurroten Farbsockel. Mit der Farbe Rot verbindet sich die Vorstellung von Blut – hier stellvertretend für die Passion Christi –, aber auch seiner Liebe zu den Menschen.


  

An der Westwand der Kirche hing früher ein Kreuz mit einem Corpus von 1671. Daran erinnern horizontale und vertikale roten Linien in Kreuzform. Hauptblickfang ist ein breiter Pinselstrich, der von Rot zu Blau wechselnd der Decke entgegenstrebt und Verwandlung symbo­li­siert - von Emotion zu Geistigkeit, von Leiden zu Erlösung, von der Erde zum Himmel.

In der neu geschaffenen Marienkapelle hat die alte Pietà ihren Platz gefunden. An der Wand hinter der Skulptur wird in breit angelegten, transparenten Farbflächen ein Kreuz sichtbar, längs in Ultramarinblau, quer in Türkisblau gehalten. Akzentuiert werden die Farbflüsse durch Linien in Rot und Orange.

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