Bundesregierung beschließt Entwurf zur Modernisierung des Vergaberechts
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(12.7.2015) Das Bundeskabinett hat am 8. Juli das von Bundeswirtschaftsminister Gabriel vorgelegte Vergaberechtsmodernisierungsgesetz (VergRModG) verabschiedet, wodurch drei neue EU-Vergaberichtlinien in deutsches Recht umgesetzt werden. Die größte Reform des Vergaberechts seit über 10 Jahren will Struktur und Inhalt des Vergaberechts anwenderfreundlicher machen und die Möglichkeiten für Auftraggeber stärken, soziale, ökologische und innovative Aspekte im Vergabeprozess zu berücksichtigen. Der Regierungsentwurf stellt außerdem klar, dass das geltende Recht, insbesondere das Arbeits- und Sozialrecht, immer einzuhalten sei, wenn öffentliche Aufträge ausgeführt werden. Das gilt vor allem für den bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn.
Um die Anwendung des Gesetzes in der Praxis zu erleichtern, wird erstmals im Gesetz der gesamte Ablauf des Vergabeverfahrens vorgezeichnet. Außerdem sollen künftig die grundlegenden Daten zu öffentlichen Aufträgen in Deutschland auf breiter Basis statistisch erfasst werden, ohne damit die Auftragnehmer zusätzlich zu belasten. Die Einführung einer solchen bundesweiten Statistik sei wichtig, um die volkswirtschaftliche Bedeutung der Vergabe öffentlicher Aufträge einschätzen zu können, denn bislang fehlen hierfür valide Daten.
Die Grundlage für den Gesetzentwurf sind die im Januar 2015 beschlossenen Eckpunkte zur Reform des Vergaberechts. Künftig wird der überarbeitete vierte Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) die wesentlichen Vorschriften zur Vergabe sämtlicher Arten von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen umfassen. Ergänzend zur Anpassung des GWB steht eine Änderung der Vergabeverordnung aus, die weitere Rechtsänderungen in Umsetzung der E-Richtlinien enthalten wird.
Grundsätzliche Zustimmung vom Handwerk
Kritik vor allem an der Gefahr ausufernder vergabefremder Anforderungen durch das geplante Vergaberecht übt Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Grundsätzlich begrüßt das Handwerk jedoch den Gesetzentwurf zur Änderung der vergaberechtlichen Bestimmungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB).
Die Vergaberechtsreform - einschließlich der noch ausstehenden neuen Vergabeverordnung - verspricht aus Sicht des Handwerks positive Ansätze, die sogar über die jeweiligen europäischen Vorgaben hinausgingen. Die erleichterte Erbringung von Eigenerklärungen und Möglichkeiten zur Heilung kleinerer formaler Fehler im Vergabeprozess würden zur Effizienzverbesserung beitragen. Positiv für den Mittelstand sei auch die Beibehaltung des strikten Grundsatzes der losweisen Vergabe. Schwannecke: „Daher begrüßen wir das grundsätzliche Bekenntnis der Bundesregierung zum Prinzip der Mittelstandsgerechtigkeit im Vergaberecht sowie zum Ziel der Verbesserung der Anwenderfreundlichkeit und Transparenz.“
ZDH: „Vergaberechtsreform darf KMU nicht ausgrenzen“
Gleichwohl würden aber zahlreiche kritische Rechtsänderungen im jetzt beschlossenen Gesetzentwurf zu einer weiteren Verkomplizierung des Vergaberechts und damit zu wachsenden Barrieren für mittelständische Unternehmen beitragen. Vor allem vergabefremde Anforderungen im sozialen und ökologischen Bereich drohten das Vergaberecht mit allgemeinpolitischen Zielen zu überlasten. Schwannecke warnt: „Werden zukünftig bei Vergabeverfahren immer mehr Nachweise und Zertifizierungen verlangt, die kaum noch im Zusammenhang mit dem eigentlichen Auftragszweck stehen, hat das fatale Folgen.“ Bereits heute würden gerade kleine und mittelgroße Handwerksbetriebe zunehmend auf die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen verzichten. Einziger Grund sei, dass diese Betriebe das komplizierte bürokratische Verfahren nicht stemmen könnten.
Im Gesetzgebungsverfahren will sich der ZDH dafür einsetzen, dass das Prinzip des strikten Bezugs jeder Anforderung auf den eigentlichen Auftragsgegenstand noch deutlicher benannt werde. Gefordert werde auch die Klarstellung, dass für die Vergabestellen in Bund, Ländern und Kommunen keinesfalls ein Zwang zur Anwendung weiterer Anforderungen im Vergabeprozess bestehe. Schwannecke resümiert: „Das Vergaberecht muss sich auf seinen Hauptzweck konzentrieren - die effiziente und wirtschaftliche Beschaffung!“
Positiv sei der durch EU-Recht vorgegebene schrittweise Übergang auf die elektronische Abwicklung des gesamten Vergabeprozesses. Dies könne auch innerhalb der Unternehmen zur Effizienzsteigerung der Geschäftsprozesse und dem Ausbau der Kapazitäten beitragen. Nach Ansicht des ZDH muss dieser Übergang aber behutsam gestaltet werden. Schwannecke: „Die Übergangsfristen zur vollelektronischen Vergabe bis Ende 2018 sollten voll ausgeschöpft werden. Es ist ja noch nicht einmal sichergestellt, dass überall ein schneller Internetanschluss zur Verfügung steht.“
Landschaftsgärtner warnen vor Wettbewerbsverzerrungen
Auch der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e.V. (BGL) begrüßt grundsätzlich die Reform des Vergaberechts, „denn klare Regeln und transparente Vergabeverfahren sorgen sowohl für unsere Betriebe als auch den Auftraggeber für Rechtssicherheit und sichern so den Wettbewerb“, so BGL-Präsident August Forster.
Jedoch sieht der Branchenverband der Landschaftsgärtner besonders die im Gesetzesentwurf vorgeschlagenen Regelungen zur Inhouse-Vergabe kritisch. „Bei den Vorschriften für Inhouse-Geschäfte handelt es sich defacto um eine Förderung wirtschaftlicher Tätigkeit der öffentlichen Hand auch in Geschäftsfeldern, die ohne Probleme von der Privatwirtschaft abgedeckt werden. Schon jetzt sind die Unternehmen des Garten- und Landschaftsbaus oft durch Wettbewerbsverzerrungen belastet, die durch ungleiche Rahmenbedingungen zwischen Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand entstehen“, erklärte Forster in einer ersten Reaktion auf den Gesetzentwurf.
Aus Sicht des BGL-Präsidenten ist es widersprüchlich und bedauerlich, wenn Vorschriften für das Vergabeverfahren wettbewerbsverzerrenden Aktivitäten Vorschub leisten. „Wir beobachten eine starke Tendenz der Kommunen, ihre wirtschaftliche Tätigkeit weiter auszudehnen. Dazu kommt die geplante Befreiung interkommunaler Zweckverbände von der Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent“, so der Einwand von Forster, der durch diese Entwicklung auch Arbeitsplätze in der privaten Wirtschaft gefährdet sieht.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- VBI-Broschüre zum neuen Vergaberecht mit dem vollständigen Verordnungstext (13.6.2016)
- „wesentliche Veränderung“: Der Zündstoff in der VOB 2016 (30.5.2016)
- VOB/A weiterhin für Bauvergaben unterhalb des EU-Schwellenwertes anwendbar (18.4.2016)
- Berlin will über eine halbe Milliarde Euro in Fertigbau-Wohnungen investieren (12.10.2015)
- Bundesregierung lockert Baurecht für winterfeste Flüchtlingsunterkünfte (29.9.2015)
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- Neu erschienen: „Die Bauleiterschule - Rechtliche Grundlagen mit Musterschreiben“ (13.10.2014)
- Leitfaden des Landes Baden-Württemberg für die nachhaltige Beschaffung (15.6.2014)
- Neue RAL-Informationsbroschüre für Vergabestellen (18.5.2014)
- Neue EU Richtlinie könnte BIM auch in Deutschland zum Durchbruch verhelfen (31.1.2014)
siehe zudem:
- Baustelleneinrichtung im Baubetrieb Portal sowie Baurecht, HOAI, Bauschäden, Bauverträge und Bauverbände bei Baulinks
- Literatur / Bücher zu den Themen VOB, Baurecht, Bauen bei Baubuch / Amazon.de