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Reaktionen auf den Abschlussbericht der „Kohlekommission“

(27.1.2019) Die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (kurz: „Kohlekommission“) hat nach über 20 Verhandlungsstunden am 26. Januar einen weitreichenden Plan vorgelegt, wie der Ausstieg aus der Kohleverstromung und der weitere Umstieg auf erneuerbare Energien gestaltet werden soll: Die Kommission empfiehlt ...

  • als Abschlussdatum Ende 2038,
  • eine „Öffnungsklausel“, auf welche insbesondere die Umweltverbände setzen; demnach kann das Ausstiegsdatum im Einvernehmen mit den Betreibern auf 2035 vorgezogen werden, wenn Strommarkt, Arbeitsmarkt und wirtschaftliche Lage es hergeben,
  • dass 2023, 2026 und 2029 der Ausstiegsplan hinsichtlich Versorgungssicherheit, Strompreisen, Jobs und Klimazielen auf den Prüfstand gestellt wird,
  • dass der Bund Privatleute und Unternehmen ab 2023 von steigenden Strompreisen entlastet.

Ende 2017 waren Kohlekraftwerke mit einer Netto-Leistung von 42,6 GW auf dem Markt - plus Reserve. Sukzessive gehen sie ohnehin schon vom Netz, aber jetzt soll es schneller gehen:

  • Bis 2022 sollen insgesamt 12,5 GW vom Netz gehen,
  • bis 2030 sollen noch maximal 17 GW auf dem Markt sein,
  • 2038 ist dann spätestens Schluss.

Foto © RWE 

DEBRIV: „unnötig hart“

Der Bundesverband Braunkohle (DEBRIV) befürchtet, dass die Empfehlung der Kohlekommission dem Industriestandort Deutschland vorzeitig eine wichtige Basis der Stromversorgung entziehen werde. Sie greife zudem tief in das soziale Gefüge und die Wertschöpfung in den Braunkohlenrevieren ein. Die Empfehlung würde gegenüber den Planungen in den Revieren zu einem um etwa 10 Jahre vorgezogenen Ende der Stromerzeugung aus Kohle in Deutschland führen.

Die Kommission, so der DEBRIV, greife mit ihren Empfehlungen unnötig hart in die Revierplanungen ein. Auch ohne die Beschlüsse und nach den Planungen der Unternehmen würde die Verstromung der Braunkohle in Deutschland bis spätestens 2050 enden. „Es ist nochmals zu überdenken, einen wettbewerbsfähigen Industriezweig vorzeitig für das politische Ziel Klimaschutz zu opfern, zumal dieser Industriezweig für weniger als 0,5 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich ist und mit dem Opfer dem globalen Klimaschutz nicht nennenswert gedient wird“, erklärte der DEBRIV-Hauptgeschäftsführer Thorsten Diercks in Berlin nach Bekanntwerden der Kommis­sions-Empfehlungen.

ifo Institut: „vertane Chance“

Karen Pittel, Leiterin des ifo-Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen, kritisierte: „Nach Berechnungen des ifo Instituts wird der Kohleausstieg zumindest teilweise ausgeglichen durch Importe von Atom- und Kohlestrom aus Polen und Tschechien. ... Die Entschädigungen für Kraftwerksbetreiber und die geplante Entlastung der Strompreise werden die Kosten des Kohleausstiegs zudem weiter ansteigen lassen. Vertan wurde die Chance, den Kohleausstieg mit einer grundlegenden Reform der Energie- und Klimapolitik zu verbinden. Ein langfristiger Plan zur Umsetzung der deutschen und internationalen Klimaziele fehlt nach wie vor.“ Die Abschaltung der Kohle-Kraftwerke nach einem Fahrplan werde Zusatzkosten für die Energiewende verursachen, die nach aktuellen Schätzungen ohnehin weit über 1000 Milliarden Euro an zusätzlichen Investitionen bis 2050 erfordern werde.

Die ifo-Forscherin begrüßt, dass die Kommission empfiehlt, Zertifikate aus dem Markt zu nehmen, um eine Verminderung der CO₂-Emissionen auch auf europäischer Ebene sicherzustellen. Diese Forderung hätte allerdings unabdingbar mit dem Kohleausstieg verknüpft werden müssen. „Ansonsten besteht die Gefahr, dass die deutschen Emissionen zwar sinken, aber die Emissionen im Rest Europas entsprechend ansteigen. Damit wäre für den globalen Klimaschutz gar nichts gewonnen“, sagte Frau Pittel weiter. Ein Beschluss zum Ausstieg aus der Kohle greife zu kurz, um die deutschen Klimaziele zu erreichen. „Ein umfassender Neuanfang in der Energiepolitik wird zwar gefordert, jedoch bleibt die Kommission hier auf einem viel zu allgemeinen Niveau.“ Einer dringend notwendigen CO₂-Bepreisung auch außerhalb des europäischen Emissionshandels werde im über 300 Seiten starken Bericht gerade einmal ein kurzer Absatz gewidmet.

NABU: „richtige Richtung“

NABU-Präsident Olaf Tschimpke kommentierte: „Das Ergebnis der Kohlekommission weist in die richtige Richtung. Der Hambacher Wald wird nicht mehr für den Braunkohleabbau geopfert werden. Und endlich ist ein definiertes Enddatum für die Kohleverstromung formuliert. Dahinter kann niemand mehr zurück. ... Die jetzigen Enddaten zur Kohleverstromung' spätestens 2038 und möglichst 2035, sind aber leider viel zu spät, um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erfüllen.“

DUH: „anspruchsvolleres GEG erforderlich“

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßte grundsätzlich die Einigung der Kohlekommission für einen Einstieg in die Beendigung der Kohleverstromung. Die Empfehlungen der Kommission seien für eine Erreichung der Klimaziele von Paris allerdings nicht ausreichend. Deshalb müsse die kommende Bundesregierung beim ersten von der Kohlekommission vorgeschlagenen Prüfstein 2023 den Ausstieg aus der Kohle deutlich beschleunigen. Zudem erhöhe das Ergebnis der Kohlekommission den Druck auf die Klimaschutzbeiträge aus den Sektoren Verkehr, Industrie, Gebäude und Landwirtschaft.

Zudem erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner: „Klar ist auch: Der Ausstieg aus der Kohle gelingt nur, wenn Erneuerbare Energien und Stromnetze in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Dafür muss die Bundesregierung jetzt alle Bremsen lösen. Wir brauchen ein neues Erneuerbare Energien Gesetz mit einem verbindlichen Fahrplan zur Erreichung des Minimalziels 65 Prozent Erneuerbarer Energien in 2030.“

Darüber hinaus müssten nun die Anstrengungen in den übrigen Sektoren deutlich erhöht werden, um die Klimaziele insgesamt zu erreichen. Dafür muss die Bundesregierung ein anspruchsvolles Klimaschutzgesetz verabschieden. So genüge beispielsweise der Entwurf des in der Ressortabstimmung befindlichen Gebäudeenergiegesetzes (GEG) nicht, um das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands auf den Weg zu bringen. So hat die Bundesregierung bisher etwa die Chance verpasst, für Gebäude einen neuen Niedrigstenergiestandard festzuschreiben, der dem KfW-40 Effizienzhaus-Stan­dard entspricht. Dieses Niveau wäre jedoch für Neubauten notwendig, um das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands 2050 zu erreichen.

dena: „Arbeit geht jetzt erst richtig los“

Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (dena), kommentierte: „Es ist hervorragend, dass es den Mitgliedern der Kommission gelungen ist, zu einem zukunftsweisenden Ergebnis zu kommen. Die Richtung ist eindeutig richtig, auch wenn die genauen Wege selbstverständlich in diesen wenigen Monaten von der Kommission noch nicht beschrieben werden konnten. Die vorgeschlagene Reduzierung der Kohleverstromung ist hinreichend ambitioniert, um die Klimaschutzziele für die Jahre 2030 und 2050 zu erreichen.“

Gleichzeitig mache die Kommission mit ihren vielseitigen Empfehlungen zurecht deutlich, wie groß und komplex die Herausforderungen im Energiesektor sind. Rechnet man Atom- und Kohleausstieg zusammen, werden nun in knapp 20 Jahren rund 50% der heute verfügbaren gesicherten Kraftwerkskapazitäten vom Netz gehen. „Das ist eine gewaltige Herausforderung für einen hoch entwickelten Industriestandort wie Deutschland, die wir aber werden meistern können,“ so Herr Kuhlmann.

Wie wird sich die Stromnachfrage in Deutschland entwickeln? Wie weit kann Deutschland auch bei Engpässen auf erneuerbaren Strom aus dem Ausland zählen? Können Versorgungsausfälle in überschaubarem Maß hingenommen werden? Das alles sind Fragen, über die sich die Gesellschaft dringend verständigen müsse. Denn je nachdem, welche Annahmen hier getroffen werden, können die Konsequenzen für das Energiesystem sehr unterschiedlich ausfallen.

Die Arbeit gehe also jetzt erst richtig los. Die Kommission habe die richtigen Punkte genannt, aber verständlicherweise noch keine Lösungen aufgezeigt. Der Ball liegt jetzt bei der Politik. Was in diesem Jahr nicht auf den Weg gebracht werde, habe in dieser Legislaturperiode kaum noch eine Chance, umgesetzt zu werden. Die Erwartungen seien jedoch hoch, in der Wirtschaft, in den Regionen, in der Gesellschaft insgesamt. 

BDEW: „erhoffter Durchbruch“

Zu den Ergebnissen der Kommission erklärte BDEW-Präsidentin Dr. Marie-Luise Wolff: „Das ist der erhoffte Durchbruch. Mit diesem Ergebnis besteht jetzt die Chance, dringend notwendige Fortschritte beim Klimaschutz zu erzielen. Gleichzeitig werden wir eine jederzeit sichere Energieversorgung gewährleisten und die berechtigten Interessen der betroffenen Regionen und Unternehmen wahren. Wir appellieren an die Politik, das heute erzielte Ergebnis entschlossen, zügig und vollumfänglich umzusetzen.“

Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung und Mitglied der Kommission, ergänzte: „Alle Mitglieder der Kommission haben sich konstruktiv und mit großem Engagement in die Diskussionen eingebracht. Der erzielte Kompromiss verlangt allen Seiten etwas ab. Der BDEW hat immer betont, dass ein Kompromiss energiewirtschaftlich verantwortbar sein muss und die Eigentumsrechte der Unternehmen wahrt – beides sehen wir erfüllt. Klar ist aber auch: Die ambitionierte zusätzliche Reduktion an gesicherter Leistung bis 2022 erfordert rasche Investitionen in Versorgungssicherheit.“

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