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Rechtsgutachten zu Haftungsrisiken bei Wohnräumen ohne Lüftungsanlagen ist fertig

(1.2.2007; zuletzt upgedatet am 28.8.2014) Aufgrund vieler Anfragen verunsicherter Bauherren, Planer, Baufirmen und Bauträger hat der Bundesverband für Wohnungslüftung e.V. Anfang 2006 ein Rechtsgutachten bei der renommierten Kanzlei Heiermann - Franke - Knipp für Bau- und Immobilienrecht in Auftrag gegeben. Das Rechtsgutachten sollte insbesonders auch die Haftungslage für Planer und Bauträger aufzeigen, wenn Wohngebäude ohne Lüftungsanlagen neu geplant, renoviert oder saniert werden.

Das Ergebnis

Planer und Bauausführende, die bei Neubau oder Renovierung eines Wohnhauses auf eine kontrollierte Lüftungsanlage verzichten, setzen sich Haftungsrisiken aus. Zwar kann heute noch nicht zuverlässig davon ausgegangen werden, dass eine Lüftungsanlage zwingend erforderlich ist, doch birgt die Alternative, den vorgeschriebenen Luftaustausch allein der zusätzlichen Fensterlüftung der Bewohner zu überlassen, erhebliche rechtliche Risiken.

Rechtliche und technische Grundlagen

Die Energieeinsparverordnung (EnEV) und die DIN 4108-2 (Wärmeschutz und Energieeinsparung in Gebäuden, Teil 2: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz) schreiben vor: Die Gebäudehülle muss dauerhaft luftundurchlässig abgedichtet sein. Außerdem muss ein ausreichender Luftwechsel gewährleistet sein, um zu hohe Luftfeuchte und zu hohe Schadstoffkonzentrationen zu vermeiden. Ein ausreichender Luftwechsel gemäß DIN 4108-2 liegt vor, wenn alle zwei Stunden die Luft einmal ganz ausgetauscht wird (Luftwechsel n = 0,5 h-1). Die anzunehmende Luftwechselrate (Berechnung gemäß Lüftungskonzept nach dem Entwurf der DIN 1946 Teil 6 (Dezember 2006)) über Gebäudeundichtheiten bei gemäß DIN bzw. EnEV ausgeführten Häusern liegt zwischen ...

  • n = 0,3 h-1, d. h. nach mehr als 3 Stunden, und
  • n = 0,1 h-1, d. h. erst nach zehn Stunden.

Das heißt: Für den notwendigen Luftaustausch sind weitere Lüftungsmaßnahmen notwendig. Diese können nicht vom Bewohner allein bewerkstelligt werden. Einschlägige Urteile sagen: Eine Wohnung müsse so beschaffen sein, dass bei einem üblichen Wohnverhalten die erforderliche Raumluftqualität ohne besondere Lüftungsmaßnahmen gewährleistet ist.

Rechtliche Risiken

Auch wenn aus den allgemein anerkannten Regeln der Technik das Erfordernis lüftungstechnischer Maßnahmen derzeit noch nicht zwingend abgeleitet werden kann, nützt es im Falle einer Klage dem Planer oder Bauausführenden wenig, wenn er nachweisen kann, sich an diese gehalten zu haben. Für die Frage der Haftung kommt es nämlich entscheidend darauf an, welche Beschaffenheit unter Umständen auch stillschweigend vorausgesetzt wurde und ob sich das Gebäude für die beabsichtigten Wohnzwecke auch eignet.

Lässt sich der erforderliche Luftwechsel nur durch Lüftungsmaßnahmen erreichen, die von der Beschaffenheitsvereinbarung abweichen, liegt ein Werkmangel vor, für den der Planer bzw. der Unternehmer einzustehen hat, so das Rechtsgutachten. Wurde keine Vereinbarung darüber getroffen, dass der nach den technischen Regelwerken zu gewährleistende Luftwechsel ohne kontrollierte Lüftung nur durch zusätzliche Lüftungsmaßnahmen des Nutzers erreicht werden kann, ergibt sich hieraus ein beträchtliches Haftungsrisiko.

Will der Leistungserbringer sich dem Haftungsrisiko entziehen und trotzdem auf eine kontrollierte Lüftungsanlage verzichten, muss er eine vertragliche Vereinbarung mit dem Nutzer treffen, die den Umfang der notwendigen Lüftungsmaßnahmen ausführlich beschreibt.

Laut Rechtsgutachten kann schon heute in Zweifel gezogen werden, ob die Sicherstellung des notwendigen Luftaustausches nur über Fensterlüftung noch den Regeln der Technik entspricht. Hier bewegt sich die Baubranche derzeit noch in einer rechtlichen Grauzone. Das ist insofern problematisch, als der Auftragnehmer zum Zeitpunkt der Abnahme ein mangelfreies Werk schuldet, die Regeln der Technik sich aber im Laufe des Bauvorhabens ändern können.

Nach Einschätzung der Rechtsexperten werden kontrollierte Lüftungsanlagen zu einem nicht näher zu bestimmenden Zeitpunkt im Wohnungsbau zu den anerkannten Regeln der Technik gehören und somit schon nach allgemeinen Grundsätzen vorzusehen sein. Diesen Zeitpunkt sollten die Bauausführenden nicht verpassen.

Update: 2. Auflage

Ende August 2014 ist die zweite, überarbeitete Auflage des Rechtsgutachtens erschienen. Es geht auf die Gefahren für Bauherren, Planer und das umsetzende Handwerk ein und verspricht Orientierung für die Praxis. Es berücksichtigt dabei den neuesten Stand der EnEV sowie die aktuellen Fassungen der Normen - siehe Beitrag vom 28.8.2014.

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