Algorithmus dimensioniert duktilen bomben- und erdbebensicheren Beton
(18.8.2014) Ein neuartiger Stahlbeton soll Gebäude besser vor Bombenanschlägen schützen können. Forscher haben zudem eine Formel ermittelt, mit der die nötige Dicke des Betons schnell berechnet werden kann. Der Baustoff kommt im One World Trade Center auf dem Ground Zero zum Einsatz.
Bei Erdbeben oder Explosionen entstehen große Kräfte. Spannungen im Bereich von mehreren tausend Megapascal wirken im nahen Abstand zu einer Autobombe, aber auch in weiteren Entfernungen zum Detonationsort können noch mehrere hundert Kilopascal Druckbelastung auftreten. Zum Vergleich: Der Luftdruck in einem Fahrradreifen liegt bei etwa drei bar. Das entspricht 300 Kilopascal.
Bei Detonationen ist für Menschen in größerem Abstand zum Detonationsort weniger die Druckwelle gefährlich. „Darauf ist unser Körper eigentlich ganz gut eingestellt. Gefährlicher sind herumfliegende Trümmerteile“, erklärt Dr. Alexander Stolz aus der Abteilung „Sicherheitstechnologie und Baulicher Schutz“ am Efringen-Kirchener Standort des Freiburger Fraunhofer-Instituts für Kurzzeitdynamik, Ernst Mach-Institut, EMI.
Herkömmlicher Stahlbeton ist so spröde, dass einzelne, zum Teil große Stücke von der Druckwelle einer Explosion aus der Gebäudestruktur herausgerissen werden und unkontrolliert durch die Luft fliegen.
Dr. Stephan Hauser, Geschäftsführer der DUCON Europe GmbH & CoKG, hat einen Beton entwickelt, der bei einer Explosion nicht bricht, sondern sich lediglich verformt. Eine spezielle Mischung aus ...
- einem sehr festen Hochleistungsbeton und
- einem feinmaschigen Bewehrungsgitter aus Stahl
... mache dies möglich. Das EMI unterstützt Hauser seit mehreren Jahren bei der Optimierung seiner patentierten Betontechnologie. Die Forscher sind insbesondere für die dynamischen Qualifikationstests des Materials bei außergewöhnlichen Lasten zuständig. Dazu gehört u.a., dass sie den Werkstoff charakterisieren und die Kennlinien zu dessen Bemessung errechnen. Die Wissenschaftler haben eine mathematische Formel ermittelt, die es für jede individuelle Anforderung erlaubt, die Dicke des neuartigen Betons einfach und schnell zu ermitteln. „Bisher geschah dies aus Vergleichswerten heraus und durch Erfahrungswerte. Jetzt können wir einen allgemeingültigen Algorithmus nutzen“, so Stolz.
Selbe Festigkeit bei halber Dicke
Die Formel ist während einer Versuchsreihe mit der neuen Stoßrohranlage am Standort Efringen-Kirchen entstanden. „Wir können hier Explosionen unterschiedlicher Sprengkraft simulieren - von 100 bis 2500 kg TNT in Abständen von 35 bis 50 m vor Gebäuden. Und das, ohne Sprengstoff einsetzen zu müssen“, erklärt Stolz. Das Prinzip: Das Stoßrohr besteht aus einem Kompressions- und einem Expansionsteil, getrennt durch eine Stahlmembran. Im Kompressionsteil können die Wissenschaftler die Luft auf bis zu 30 bar komprimieren, den Druck also auf den 30-fachen Luftdruck erhöhen. Ist der Druck eingestellt, wird die Stahlmembran angestochen: Die Luft entweicht schlagartig, läuft durch das Expansionsteil hindurch und trifft als ebene Stoßfront auf das Betonelement, das am Ende des Stoßrohrs befestigt ist. „Bei herkömmlichem Beton riss das Rohr Teile heraus und die Wand versagte nahezu schlagartig. Bei der duktilen, also der dehnbaren Variante hat sich der Beton lediglich verformt. Es gab keine Trümmerteile, der Baustoff blieb in sich geschlossen“, sagt Stolz. Wegen seiner duktilen Eigenschaften ist der Beton wesentlich filigraner und gleichzeitig fester als herkömmlicher Stahlbeton. Dünnere Bauteile sind möglich. „Als Faustregel gilt: selbe Festigkeit bei halber Dicke“, so Stolz.
Im Einsatz beim One World Trade Center in New York
Zum Einsatz kommen Algorithmus und Beton u.a. beim neuen One World Trade Center in New York. Das Gebäude ruht auf einem 20-geschossigen, bombensicheren Fundament, das über 60 Meter tief reicht. Im Gebäudes sind an besonders sicherheitskritischen Stellen insgesamt über mehrere tausend Quadratmeter Sicherheitsbeton verbaut. Der Wolkenkratzer ist in den letzten Jahren an der Südspitze Manhattans in die Höhe gewachsen. Mit 541,30 Metern ist es das höchste Gebäude der USA und das dritthöchste der Welt.
Weitere Informationen zum bomben- und erdbebensicheren Beton können per E-Mail an Ducon angefordert werden.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- Erdbeben-Szenario in der Nähe einer deutschen Großstadt - am Beispiel Köln (7.12.2020)
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- Fraunhofer EMI prüft Glasfassadenelemente hinsichtlich Explosionsbelastungen (6.2.2013)
- "texton" strebt Durchbruch bei serieller Herstellung von Textilbeton-Fertigteilen an (17.10.2011)
siehe zudem:
- Betonbau im Rohbau-Magazin bei Baulinks
- Literatur / Bücher zu Betonbau bei Amazon