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Bürogebäude ohne Heizung und Klimaanlage ... aber mit 65 cm dickem Ziegelmauerwerk

(12.5.2022) „Ist es möglich, ein ganzjährig behagliches Gebäude ohne Heizung und Klimaanlage auf wirtschaftliche Weise zu realisieren?“ Diese zukunftsorientierte Frage beschäftigt viele Investoren und Planer. Eine interessante Lösung liefert ein Ende November 2021 fertiggestelltes, fünfgeschossiges Bürohaus in München-Gräfelfing (siehe Google-Maps): Realisiert wurde es mit einem zweischaligen, 65 cm dicken Mauerwerk aus gefüllten Coriso-Mauerziegeln. Und versprochen sind ganzjährig angenehme Raumtemperatur von 22 bis 26°C ganz ohne Einsatz kostenintensiver Haustechnik.

alle Fotos © Heiko Stahl 

Gewünscht wurde vom Bauherrn, der Heinrich Nabholz KG, am Standort ihrer Hauptverwaltung im Westen der bayerischen Landeshauptstadt ein besonders nachhaltiger Büroneubau. Umweltschonendes Handeln ist ein wesentlicher Bestandteil ihrer Unternehmensphilosophie. „Die Idee, beim Neubau ganz auf die Heiz- und Klimatechnik zu verzichten, ergab sich nach und nach im engen Austausch mit dem Auftraggeber – aus ökologischen und ökonomischen Gründen“, erklärt Architekt Bernd-Simon Schwarz vom Schwarz Architekturbüro. „Neben den hohen Anschaffungs- und Installationskosten hat auch der Wegfall der erheblichen Wartungskosten von Heiz- und Klimatechnik zu dieser Entscheidung beigetragen.“

Kompakter Gebäudekubus

Das Gebäude (52 x 15,20 m) besitzt insgesamt fünf oberirdische Geschosse - Das oberste als Staffelgeschoss, um Platz für eine Dachterrasse zu schaffen und das ansonsten kompakte Erscheinungsbild optisch aufzulockern. Dazu leistet auch der gegenüber der Fassade zurückgesetzt angeordnete Erschließungskern mit Eingangsbereich, Treppenhaus, Aufzügen und Sanitäranlagen einen essentiellen Beitrag.

1. Obergeschoss (Plan © Architekturbüro Schwarz) 

Er verbindet den größeren südlichen Gebäudetrakt mit dem kleineren nördlichen Teil. Diese Struktur zieht sich vom Erdgeschoss aufwärts durch alle Geschosse. Zusätzlich verfügt das Bürohaus über zwei Tiefgaragen mit insgesamt 68 Pkw-Stellplätzen. Die nutzbare Bürofläche verteilt sich derweil auf insgesamt neun Büroeinheiten, die in Größe und Zuschnitt der einzelnen Räumlichkeiten variieren und so unterschiedliche Nutzeransprüche erfüllen.

Am „Bürohaus 2226“ in Lustenau orientiert

Der Verzicht auf die übliche Haustechnik erforderte vom Architekten bei der detaillierten Gebäudeplanung zwangsläufig eine spezielle Herangehensweise mit dem Fokus auf ...

  • wärmetechnisch optimierte Außenwände sowie auf
  • eine lüftungstechnisch durchdachten Innenraumkonzeption.

Bürohaus 2226 (Foto © Jakob Schoof aus dem Beitrag „Nachhaltig konstruieren mit ,Detail‘“)
  

Neu ist diese Erkenntnis nicht. Schon die antiken Baumeister nutzten die dämmenden und speichernden Eigenschaften von Bauteilen zur Regulierung der Raumtemperatur. Entsprechend konsequent konzipierte Gebäude mit einem Minimum an Haustechnik werden aufgrund der wachsenden ökologischen und klimatischen Herausforderungen zukünftig wieder gefragt sein.

Ein 2013 erbautes Bürohaus im Millennium-Park im österreichischen Lustenau (Bild rechts) zeigt beispielhaft, wie die Auslassung von Heiz- und Klimatechnik unter anderem durch ein zweischaliges Ziegelaußenmauerwerk wirtschaftlich realisierbar ist. „Eine Besichtigung des Gebäudes mit dem kennzeichnenden Namen ‚Bürohaus 2226‘ nach der einzuhaltenden Raumtemperatur von 22 bis 26 Grad Celsius weckte beim Bauherrn großes Interesse“, schildert der Architekt dessen begeisterte Reaktion. Für die Planung des Projekts der Nabholz KG wurde eng mit Herrn Dr. Widerin zusammengearbeitet, der das Konzept 2226 maßgeblich mitentwickelte. So konnte man von seinen Erfahrungen profitieren.

Ausgeklügeltes natürliches Lüftungskonzept

„Bei der Raumkonzeption gingen wir jedoch andere Wege,“ betont Schwarz. „Rund 70 Prozent der Fläche werden künftig an Fremdnutzer vermietet. Daher wollten wir nicht nur Großraumbüros umsetzen, sondern auch abgeschlossene Büroeinheiten ermöglichen.“ Eine wichtige Voraussetzung für das Gebäudekonzept war die Schaffung eines großen, zusammenhängenden Raumes mit freier Luftzirkulation sowie steuerbaren, motorisierten Fensterklappen, die eine ausreichende Frischluftzufuhr sicherstellen.

An den mittig im Gebäude angeordneten Wandscheiben wurden zudem Überströmelemente aus Holz eingebaut, so dass trotz Abtrennung von Büroräumen eine dauerhafte Querlüftung bei gleichzeitiger Schallreduzierung möglich ist. So kann man leicht kleinere Büroeinheiten schaffen und dabei trotzdem die Luftzirkulation gewährleisten. Sollte der Bereich dann doch als Großraumbüro genutzt werden, dienen diese Elemente aus Holz automatisch als prägendes Gestaltungselement des Innenraums.

Zweischalige Außenwand aus Unipor Coriso-Ziegeln

Angesichts der speziellen Anforderungen galt der Außenwandkonstruktion und ihrer Dimensionierung ein Hauptaugenmerk. Wie beim Bauwerk in Lustenau entschied man sich aufgrund der gleichermaßen guten wärmedämmenden wie speichernden Eigenschaften für ein zweischaliges Ziegelmauerwerk.

Da sich jeder Zentimeter eingesparter Außenwanddicke in zusätzlicher Nutzfläche auszahlt, wird durch den Einsatz dämmstoffgefüllter „Unipor Coriso“-Ziegel die Dicke der Gebäudehülle „minimiert“: Die Stärke der Außenwand beträgt ...

  • beim Lustenau-Gebäude noch 81,8 cm und
  • beim Münchener Projekt „nur noch“ 65 cm - bestehend aus ...
    • 30 cm dicken Unipor WS08 Coriso-Ziegeln,
    • einer ebenfalls 30 cm starken Innenschale aus Unipor WS10 Coriso-Ziegeln,
    • einer trennenden Mörtelfuge (1,5 cm),
    • Kalkzementputz auf der Außenwand (2 cm) und Kalkputz auf der Innenwand (1,5 cm).

Ein weiterer wichtiger Faktor ist neben dem erreichten geringen Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) von 0,143 W/m²K auch die aufgrund des ausgeklügelten Lochbildes erzielte hohe Druckfestigkeit des Coriso-Ziegels. Die lastabtragende WS10-In­nen­schale gewährleistet durch eine Druckfestigkeit von 5 MN/m² (Festigkeitsklasse 12) auch bei fünf Geschossen eine sichere Tragfähigkeit der Außenwand - siehe auch Beitrag „Leipfinger-Bader erhält Zulassung für gefüllten Geschossbau-Mauerziegel“ vom 29.6.2010.

Zum ökologischen Anspruch des Projektes passte auch die Auswahl des Wandbau­stoff-Lieferanten. Hier entschieden sich Planer und Bauherr für die niederbayerischen Ziegelwerke Leipfinger-Bader, deren mineralisch gefüllte Coriso-Mauerziegel am Standort in Mainburg-Puttenhausen (Landkreis Kelheim) hergestellt werden. Diese regionale Nähe war beim Büroprojekt in München-Gräfelfing ein weiterer Pluspunkt in puncto Nachhaltigkeit. Zudem wurden die Ziegelwerke Leipfinger-Bader in den vergangenen Jahren mehrfach für ihre ökologische Ziegelproduktion ausgezeichnet. Aktuell setzt das Familienunternehmen bundesweit Maßstäbe im Bereich des Baustoff-Recyclings, wie die 2020 erfolgte Inbetriebnahme einer Recycling-Anlage in Puttenhausen unterstreicht - siehe auch Beitrag „Leipfinger-Bader zieht Recycling-Bilanz: Mehr als 5.000 Tonnen Ziegelbruch recycelt“ vom 24.4.2022.

All diese Faktoren machten den regionalen Baustoffhersteller zum idealen Partner bei der Umsetzung des nachhaltigen Büro-Neubaus in Gräfelfing.

Realitätsnahe Wärmebrückensimulationen

Die Projektverantwortlichen gaben beim Energieverbrauch den Effizienzhausstandard 55 für Nichtwohngebäude vor. Statt üblicher Heiztechnik werden zur Erwärmung der Büroräume ausschließlich natürliche Quellen wie Körperwärme oder ebenso technische Gegenstände wie PCs genutzt. Ihre Abwärme wird in den massiven Ziegelwänden zwischengespeichert und zeitverzögert an den Innenraum abgegeben. Ähnliches gilt aufgrund ihrer hohen Speicherkapazität für die 24 cm dicken Stahlbeton-Fertigteildecken mit ihrer Sichtbetonunterseite. Sie wirken in den Sommermonaten als Kältespeicher und tragen so ebenfalls zur angenehmen Raumtemperatur bei.

Der besondere Einfluss der Gebäudehülle auf das Raumklima erforderte zudem die Minimierung von Wärmebrücken. Deshalb wurden in allen relevanten Anschlussbereichen an die Außenwand, wie beispielsweise zwischen Fensteröffnungen und Mauerwerk sowie der Dachhautanbindung, besonders effiziente Details verwirklicht. Ihre Wirksamkeit ließ sich durch überaus detaillierte und realitätsnahe Wärmebrückensimulationen rechnerisch überprüfen. Der Aufwand hat sich gelohnt: Unter Berücksichtigung aller zu erwartenden Wärmelasten konnte nachgewiesen werden, dass wie gewünscht eine ganzjährige Raumtemperatur von 22 bis 26°C erreicht wird.

Zukunftsweisendes Gebäudemodell

Das Bürohaus wurde termingerecht im November 2021 als erstes Gebäude seiner Art in Deutschland übergeben. Bereits im November zogen die ersten Gebäudenutzer ein. „Die Wintermonate waren sozusagen der erste Härtetest“, erklärt Architekt Schwarz. „Wir haben bei der Planung auch berücksichtigt, dass die individuellen Ansprüche an Behaglichkeit sehr unterschiedlich sind. So wurde für warme Sommermonate ein außenliegender Sonnenschutz aus Raffstores eingeplant, obwohl er als Hitzeschutz nach den durchgeführten Berechnungen nicht erforderlich ist.“

Der energiesparende Verzicht auf Heizung und Kühlung wird ergänzt durch die Nutzung regenerativer Energie. Dafür sind auf der Dachfläche Photovoltaik-Module mit einer Gesamtleistung von 60 kWp vorgesehen. Sie sollen unter anderem 16 in den Parkdecks installierte Schnell-E-Ladesäulen direkt bedienen. Herr Schwarz hofft für die Zukunft, dass das Gräfelfinger Bürohaus zu einem Gesinnungswandel bei der Gebäudeplanung beiträgt: weg von der technischen Überfrachtung eines Bauwerks zurück zu möglichst wartungsfreien Gebäuden mit geringen Folgekosten.

Weitere Informationen zu Coriso-Mauerziegeln können per E-Mail an Leipfinger-Bader angefordert werden.

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